Juden in der Türkei
Juden lebten bereits in der Antike in Anatolien und in Byzanz/Konstantinopel/Istanbul. Ein Zeugnis dafür ist eine der größten antiken Synagogen, vermutlich aus dem 4. Jahrhundert, die in der Ruinenstadt Sardes im Hinterland von Izmir freigelegt wurde.
Von der ebenfalls bis in die Antike zurückreichenden jüdischen Präsenz in Konstantinopel vor der osmanischen Eroberung 1453 sind keine sichtbaren Zeugnisse erhalten. Die Gemeinde erfuhr nach 1492 erheblichen Zuwachs in ihrer Zahl, nachdem die Juden von der iberischen Halbinsel vertrieben worden waren und der osmanische Sultan sie in sein Reich einlud. Zu den sefardischen Juden, die diesem Ruf folgten, gesellte sich im 19. Jahrhundert eine weitere, deutlich kleinere Gruppe von Zuwanderern aus Mittel- und Osteuropa, aus Rußland, dem Habsburgerreich und Deutschland, die Aschkenazim.
Schon bald nach der Ankunft der Sefardim spielte einer der ihren eine bedeutende Rolle im Osmanischen Reich. Der 1524 in Portugal geborene Joseph Nasi war politischer und finanzieller Berater zweier Sultane, Selim II. verlieh ihm den Titel eines Herzogs von Naxos. Auch in den folgenden Jahrhunderten spielten Juden vor allem im wirtschaftlichen und kulturellen Leben eine wichtige Rolle. Zwei der bedeutendsten Industrie-Holdings in der Türkei heute wurden von Juden begründet und geleitet.
Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es jüdische Gemeinden in zahlreichen türkischen Städten, heute leben fast alle im Lande verbliebenen Juden in Istanbul. 1948 – vor der Gründung des Staates Israel – wurde ihre Zahl mit 120 000 angegeben, 2022 waren es nur noch etwa 14 500, Tendenz sinkend.
(Dr.Hans-Peter Laqueur)