Geschichte der Juden am Niederrhein
Der Niederrhein
Der Niederrhein ist weder geografisch noch kulturell exakt festgelegt. Er umfasst die Kreise Kleve, Wesel, Viersen, Heinsberg und die Städte Oberhausen, Isselburg, Duisburg, Neuss und Mönchengladbach. Oft werden die angrenzenden Gebiete mit Düsseldorf sowie benachbarte links- und rechtsrheinischen Regionen zum erweiterten Niederrhein gerechnet.
Juden am Niederrhein
Ausgehend von Köln und Trier mit nachgewiesenen jüdischen Gemeinden ab ca. 300 n. Chr. lassen sich bis um das Jahr 100 n. Chr. jüdische Ansiedlungen entlang der Handelswege und der Wasserstrassen nachweisen.
Um 1300 werden in Essen, Duisburg, Kempen, Jülich, Xanten, Rees, Kleve, Emmerich und auch anderen kleineren Ortschaften jüdische Gemeinden erwähnt. In Wesel existiert eine Urkunde aus dem Jahre 1266, in der ein Jude Ysaak ein Rechtsgeschäft beurkunden lässt.
Durch die Pogrome in der Folge der Pest wurden viele Gemeinden am Niederrhein vernichtet. Von diesen Verfolgungen und Morden haben sich die jüdischen Gemeinden nie mehr erholt, zumal die Neuansiedlung von Juden in der Folgezeit äusserst restriktiv gehandhabt wurde. Die mit einer Niederlassung verbundenen Repressalien und extremen Abgaben führten im 15. Jahrhundert zur Abwanderung vieler Juden nach Polen und Litauen. Aus dieser Zeit gibt es nur selten Grabsteine oder Bauten, die erhalten sind.
Von etwa 1600 bis in das 18. Jahrhundert wurde die Erteilung von Schutzbriefen für „Hofjuden“ zu einem einträglichen Geschäft für die zahlreichen Kleinherrscher. Alles im jüdischen Leben, von der Taufe bis zum Begräbnis, vom Wohnen bis zur Ernennung von Rabbinern, vom Handel bis zum Heiraten war neben der „normalen“, oft immens hohen Abgabe, besteuert. Dabei waren die Juden von fast allen Berufen mit Ausnahme des Geldverleihs und des Handels, ausgeschlossen.
Nach der Französischen Revolution waren die Juden rechtlich gleichgestellt und siedelten sich zuerst linksrheinisch wieder an. Mit zunehmender Einschränkung der Freiheiten und enormen Geldforderungen unter Napoleon setzte im frühen 19. Jahrhundert eine Flucht in rechtsrheinische Gebiete ein, die jedoch ab 1815 preussisch wurden .
Die zunehmende Integration hatte Auswirkungen bis tief hinein in das Leben der jüdischen Bürger. Im kulturellen Bereich, dem Schulbereich und auch in der Ordnung der Gottesdienste wurden Neuerungen eingeführt, die sich an der jeweiligen Umgebungssituation orientierten. Aus den Landgemeinden wanderten die Juden ab und liessen sich in den Städten, oft in ertragreicheren oder angeseheneren Berufen, nieder. Viele ärmere Juden wanderten aus den Landgemeinden am Niederrhein nach Amerika aus.
Für Kleve und Wesel lassen sich jüdische Familien und damit auch Grabstätten im 17. Jahrhundert, vorwiegend aber im 18 Jahrhundert und später, nachweisen. Die Juden siedelten dann entlang der Flüsse Ruhr und Lippe. Bekannt sind Dortmund, Kamen, Schwerte und Paderborn.
Im Jahre 1808 wurde Juden ein Wohnrecht in Dorsten eingeräumt, also von der Mündung der Lippe in den Rhein etwa 35 km entfernt. Die Besiedlung in östlicher Richtung um diese Zeit wurde wohl auch dadurch erzwungen, dass die Franzosen in der Folge der Kriege mit Österreich und Preußen die Gebiete an der linken Rheinseite besetzt hielten und durch „Kontributionen“ die Bevölkerung finanziell auspressten. Juden flüchteten in die steuerlich weniger bedrohten und auch sonst für Juden freundlicheren rechtsrheinischen, meist preußischen Länder.