Jüdisches Leben in Werne

 

In einer Urkunde vom 02. September 1554 mit dem Eintrag „Joist Judde te Werne ver sine geleide beß Martini“ wird dem Juden zu Werne gegen Bezahlung eines Talers an seinen Landesherrn, den Bischof von Münster, eine Aufenthaltsgenehmigung bis zum Martinstag gewährt. [1]1560 wird bei Wilhelm Kohl, Germania sacra, schon über zwei jüdische Familien in Werne berichtet. Im Stift Münster war Werne die einzige Stadt mit zwei jüdischen Familien, während in den anderen sieben Städten nur je eine jüdische Familie wohnte. [2]

Nach dem Beschluss des münsterschen Landtages 1560, alle Juden - ebenso auch die Heiden und Zigeuner - aus dem Münsterland auszuweisen, lebten auch hier wie in vielen anderen Städten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation die Juden ständig in Angst, das Land verlassen zu müssen. Sie hatten nur noch wenig Möglichkeiten, ihren Glauben zu leben und ihren Beruf auszuüben. Wegen der fehlenden Banken waren sie zwar als Kreditgeber unentbehrlich, jedoch mussten sie ständig um ihr Leben fürchten.

Am 21. Februar 1566 gewährten Bürgermeister und Rat der Stadt Werne einem Juden Jordan und seinem Schwiegervater ein Geleide (Aufenthaltsrecht) über 10 Jahre gegen die jährliche Abgabe von sechs Talern.

Aufgrund des Beschlusses von 1560 zog die Landesregierung 1574 Erkundigungen über die Juden von Werne ein. Als bekannt wurde, dass keine Aufenthaltsgenehmigung des Landesherrn vorlag, wurde dem Richter befohlen, die Juden gefangen zu setzen. Diese konnten sich jedoch nach Vorwarnung wohlgesinnter Werner Bürger in Sicherheit bringen.

1579 erhielten zwei weitere Familien – Hertz und Marx – vom Rat ebenfalls das Wohnrecht (Vergleitung). Somit gab es mit Werne 11 Stiftsorte, die widerrechtlich Juden duldeten.
Unter der Regentschaft des neuen Landesfürsten Erzbischof von Bayern (ab 1585) und dessen Nachfolger Ferdinand (ab 1612) hatte die Bedrohung der Juden ein Ende. Sie bekamen einige Rechte zugesprochen. So duldete man sie meistens nur aus wirtschaftlichen Gründen. 1598 verlieh der Landesherr den beiden Juden Marrus und Magnus aus Werne das Wohnrecht auf 12 Jahre.
Lebten in Werne 1667 erst vier jüdische Familien, so waren es 1784 schon neun Familien und Werne gehörte somit zu den drei Städten, in denen die meisten Juden des Oberstiftes Münster lebten.
Es ist überliefert, lt. einer Steuerliste vom 9. Dezember 1678, dass die vier Werner Judenfamilien 4800 Taler Steuern entrichteten. Das macht bei einem Steueraufkommen von 22 875 Talern für 42 verzeichnete Bürger ca. 21% aus, die auf die jüdischen Familien von Werne entfielen.

Nach der Auflösung des Stiftes Münster im Jahr 1803 fiel Werne an Preußen, das wiederum 1806 unter französische Herrschaft geriet. Somit war Napoleons sog. Freiheitsbrief richtungsweisend auch für die Werner Juden. Es wurde ihnen gestattet, den vorhandenen Begräbnisplatz am Schüttenwall erheblich zu vergrößern und eine eigene Synagoge zu bauen (erste Erwähnung 1816). Ab 1808 erhielten die jüdischen Kinder Privatunterricht in hebräischer Religion. Allerdings in der Wohnung des Lehrers, da kein eigenes Gebäude zur Verfügung stand. 1860 wurde die Errichtung einer jüdischen Privatschule beantragt. Der Stundenplan der jüdischen Schule vom 1. Oktober 1860 ist noch erhalten und kann im Werner Stadtarchiv eingesehen werden.