Der Friedhof im Laufe der Geschichte

 

Die ältesten Friedhöfe Europas stammen aus dem Mittelalter und befinden sich in Prag, Worms, Mainz, Köln und Ulm.

Im Laufe der Geschichte kam es dazu, dass der öffentliche Friedhof der übliche Bestattungsort wurde, da Juden keinen Grundbesitz erwerben durften. Manchmal hatten auch mehrere jüdische Gemeinden zusammen einen Friedhof. Im Mittelalter mussten die Juden noch dankbar sein, wenn sie einen Begräbnisplatz im Stadtgraben erhielten.

Wenn man im Mittelalter die Juden aus einer Stadt vertrieb, ebnete man die Friedhöfe ein. Nach jüdischem Glauben aber darf der Friedhof nicht aufgehoben werden, da er ein heiliger Ort ist. Die Steine verwendete man dann als Baumaterial. So sind einige jüdische Friedhöfe gänzlich verschwunden. In der Regensburger Altstadt bestehen heute noch manche Bürgerhäuser aus einigen der 5000 Steine, die 1519 vom Friedhof entwendet wurden.

Im 20.Jahrhundert wurden mit der Zeit auch viele Friedhöfe eingeebnet. Aber anders als im Mittelalter haben nach Schätzungen ca.1600 Friedhöfe, mehr oder weniger stark beschädigt, diese Zeit überstanden.

Seit Mitte der fünfziger Jahre werden die jüdischen Friedhöfe nun offiziell geschützt. Ihre Pflege durch Kommunen und Länder ist gesetzlich geregelt. Inzwischen werden die jüdischen Friedhöfe wieder als Ruhestätte der Toten angesehen.

Die äußere Gestaltung des Friedhofs

Lage

Jüdische Friedhöfe liegen meistens außerhalb oder am Rande der Ortschaften, da es für die Juden lange Zeit schwer war überhaupt Begräbnislätze zu erwerben. Oft wurde ihnen Land überlassen, das nicht anders genutzt werden konnte. Da es aber nicht genug Platz gab, wurden die Juden oft übereinander begraben. So entstanden oft hohe Grabhügel.

Die Friedhöfe liegen oft sehr versteckt, sind von einer Mauer umgeben und müssen abschließbar sein, um Störungen der Totenruhe abzuwehren. Der jüdische Friedhof gilt als unantastbar, darf nicht verändert oder aufgehoben werden.

Anlage und Aussehen

Auf nichtjüdische Besucher wirken jüdische Friedhöfe oft sehr ungepflegt. Da der Friedhof die Vergänglichkeit des Menschen symbolisieren soll, lässt man der Natur meist freien Lauf, allerdings wird er in seiner Gesamtheit gepflegt, damit er eine würdige Stätte der Toten darstellt. Man findet am Grab selten Blumenschmuck, denn das einzelne Grab und der Friedhof werden als Teil der Landschaft empfunden.

Eine biblische Vorschrift ist, dass der Gerechte nicht neben dem Sünder begraben werden darf. Man findet daher auf einigen Friedhöfen Ehrenreihen für bedeutende Persönlichkeiten und eine eigene Rabbinerabteilung. Auch Kinder wurden an besonderen Plätzen begraben und erhielten zudem kleinere Grabsteine. Selbstmörder und Kriminelle hingegen wurden oft an der Mauer beigesetzt, wo sie keinen stören konnten.

Die Toten wurden in dichtgedrängten, oft gleichmäßigen Reihen begraben und auf alten Friedhöfen so, dass ihre Füße in Richtung Jerusalem zeigen. Die hohen Grabsteine stehen meistens am Kopfende und haben hebräische Inschriften. Über diese Anordnung versuchte man lange dem religiösen Ideal der Schlichtheit zu entsprechen und die Gleichheit aller im Tod zu verdeutlichen.

Jüdische Bestattungsrituale

Beim Eintritt des Todes

Es gibt viele kleine Bräuche, die gemeinhin beim Eintritt des Todes üblich sind, zum Beispiel alle Spiegel im Trauerhaus zu verhängen und alle stehende Wasser auszuschütten. Diese Verhaltensweisen beruhen auf abergläubischen Vorstellungen. Diese Bräuche gelten im progressiven Judentum als nicht verpflichtend, doch es wird anerkannt, dass manche Menschen das Bedürfnis haben, zum Zeitpunkt des Todes "irgend etwas zu tun", um das Vakuum zu füllen und die Hilflosigkeit, die sich empfinden, ausdrücken zu können.

Tohora

Es wird empfohlen, die Tohora (die rituelle Waschung der Leiche) zusätzlich zu einer bereits erfolgten normalen Waschung durchzuführen. Sie wird entweder von der Chewra Kadischa oder einer ausgebildeten Gruppe von Gemeindemitgliedern durchgeführt. Der Körper wird auf vorgeschriebene Art und Weise gewaschen und getrocknet, mit einem Totengewand bekleidet und in einen schlichten Sarg gelegt. Wenn die Person an einer ansteckenden Krankheit gestorben ist oder die Ausflüsse des Körpers diejenigen gefährden könnten, die den Körper waschen, ist die Tohora nicht erforderlich. 

Das Berühren des Leichnams

Für orthodoxe Instanzen ist es streng verboten, dass Nichtjuden den Körper eines gestorbenen Juden berühren. Dieses Verbot geht bis in die Antike zurück. Ursprünglich bezog es sich auf heidnische Bräuche, tote Körper zu verstümmeln und das Blut zu rituellen Zwecken zu gebrauchen. Das progressive Judentum berücksichtigt, dass solche Bräuche in der Gegenwart nicht üblich sind und sieht daher keine Notwendigkeit, an dem Verbot festzuhalten. Zudem wäre es für die Ärzte und das Pflegepersonal, die für die betreffende Person gesorgt haben, verletzend, sie nun nach dem Tod als nicht vertrauenswürdig zu betrachten. Wenn das nichtjüdische Krankenhauspersonal den Körper eines verstorbenen jüdischen Menschen in einen anderen Raum bringen, den Körper waschen und die Gliedmaßen richten möchte, so ist dies erlaubt. Der einzige Vorbehalt ist, dass die Hände der Person seitlich am Körper anliegen müssen und nicht christlichem Brauch gemäß auf der Brust gekreuzt oder gefaltet werden dürfen.

Kleidung

Es ist üblich, dass alle Trauernden und alle, die an einer Beerdigung teilnehmen, schwarze Kleider oder zumindest dunkle Farben tragen. Obwohl einige dies für eine Nachahmung christlicher Bräuche halten, ist es in Wirklichkeit eine alte jüdische Tradition, die bis in die talmudische Zeit zurückreicht. In der Bibel zerrissen Trauernde als ein dramatisches und deutliches äußerliches Zeichen ihrer Trauer oft ihre Kleider (Als Trauernder im engeren Sinn gilt jemand, der einen Elternteil, den Ehepartner, einen Bruder, eine Schwester oder ein Kind verloren hat). Dies führte zu der Tradition der Keria ("Riss"). Ein Trauernder macht kurz vor Beginn der Beerdigung einen symbolischen Riss von wenigen Zentimetern in seine Kleidung.

Gottesdienst

Der Gottesdienst ist kurz und schlicht. Er besteht aus einigen Psalmen und Gebeten, die zu dem Anlass passen.

Neben den üblichen Gebeten der Trauerliturgie fügen einige Rabbiner einen Text, ein Gedicht oder einen Prosatext ein, der der verstorbenen Person besonders wichtig war, zu ihr passt oder von ihr verfasst wurde. Der Gottesdienst wird dadurch persönlicher. Im Einklang mit dem Brauch der progressiven Gemeinden findet der Gottesdienst sowohl in Hebräisch als auch in Deutsch statt, Männer und Frauen werden nicht getrennt. Frauen werden nicht daran gehindert, an der Beerdigung teilzunehmen, wie es in einigen orthodoxen Kreisen üblich ist. Wenn sie selbst die Trauernden sind, ist die Teilnahme für ihren eigenen Trauerprozess äußerst wichtig.

Grabschmuck 

Bei orthodoxen Beerdigungen in Deutschland sind Blumen nicht üblich, stattdessen legt jeder Besucher ein Steinchen auf den Grabstein. In Israel dagegen sind sowohl Blumen wie auch Steine gebräuchlich.

Trauerbräuche (Schiw’a)

Die Schiw’a – die siebentägige Trauerzeit – hat den Zweck, den Trauernden Trost und Hilfe anzubieten. Jahrhunderte lang hat sie diesen Zweck erfolgreich erfüllt. Sie schafft den Trauernden eine Form, ihren Schmerz auszudrücken und ihren Verlust zu verarbeiten und gibt der Gemeinde Raum, praktische und emotionale Unterstützung zu leisten. Das progressive Judentum legt es daher nahe, die Schiw’a zu beachten, freilich mit der ausreichenden Flexibilität, moderne Lebensbedingungen zu berücksichtigen und den eigentlichen Zweck zu erfüllen: den Trauernden zu helfen. Normalerweise würden die Trauernden sieben Tage nach der Beerdigung zuhause bleiben, tagsüber Besuche von Familienangehörigen, Freundinnen und Freunden und Gemeindemitgliedern empfangen und abgesehen vom Freitagabend dort die Gottesdienste feiern.

Es ist üblich, während der Schiw’a eine Kerze in Erinnerung an den verstorbenen Menschen brennen zu lassen. Es bleibt dem Einzelnen überlassen, inwieweit er bestimmte persönliche Rituale während der Schiw’a beachtet, zum Beispiel sich nicht zu rasieren, nicht zu waschen oder keine Lederschuhe zu tragen.